Donnerstag, 24. Januar 2013

18.1.2013 Die Rollerfahrt meines Lebens



Heute war ein Feiertag und somit konnte ich ausschlafen. Als ich aufstand waren meine Grippesymptome beinahe verschwunden. Auch die Wunde an meiner Nase, die durch kochend heisses Wasser während dem Inhalieren zu Stande kam, ist am verheilen. Bis um drei Uhr blieb ich im Zimmer, trank Tee und Inhalierte, lernte Hindi und las im Buch Shantaram. Danach machte ich mich auf in die Stadt. Da kein Bus in die 14 Km entfernte Stadt Varanasi fuhr musste ich improvisieren. Am Eingangstor fragte ich nach einem Motorrad, um damit in  die Stadt zu fahren. Der Portier war ein wenig überrascht und gab mir schlussendlich zu verstehen, dass er keinen Schlüssel hat. Ich wollte schon losmarschieren um beim Pachao Markt, fünf Kilometer entfernt, ein Tuktuk zu kriegen. Da kam die Chefin des Kiran Center Sangeta mit ihrem Roller angebraust. Der Portier fragte sie nach einem Motorrad für mich, auch sie konnte mir nicht weiterhelfen. Da gab sie mir schlussendlich ihren eigenen Rollerschlüssel. Ich war ihr sehr dankbar.

Mir der Kiste  donnerte ich also über  Stock und Stein bis zum Pachao Markt. Da der Roller auf Reserve lief musste ich mich um Petrol kümmern. Beim ersten Shop machte ich halt und fragte nach Treibstoff. Ein Mann kam mit einem Schlauch und wollte mir Luft in den Pneu jagen. Ich gab ihm zu verstehen, dass ich Petrol und nicht Luft brauche. Da hob er seine Hände in die Luft und zeigte weiter die Strasse runter. Ich stieg wieder auf und flitzte quer über die Strasse zum nächsten Händler. Diesmal hatte ich mehr Glück und der Roller bekam einen Liter Flüssigkeit.

Und schon ging es weiter. Immer schön links halten und rechts überholen, bald hatte ich die überlebenswichtige Hupe gefunden und drückte unablässig auf dem Knopf rum. Die Tuktus zogen am Anfang noch an mir vorüber. Doch mit der Zeit und mit dem immer besseren Gefühl für den Verkehr, scherte ich aus, überholte Laster, Autos und Fahrräder. Die Fahrkunst der Inder ist beeindruckend. Die ganze Zurückhaltung die sie sonst an den Tag legen verlieren sie spätestens auf der Strasse.  Noch nie fuhr ich so Aufmerksam, jede Sekunde veränderte sich die Verkehrslage. Ich war wie auf Nadeln. Meine Augen brannten wegen dem Staub und weil keine Zeit zum blinzeln übrig blieb. Es hupte, brummte, röhrte und zischte nur so um mich herum, teilweise sah ich alles wie in Zeitlupe. Nicht selten raste ein Auto voll auf mich zu und im letzten Moment wichen wir einander aus. So ging es weiter  bis ich kurz vor der Stadt,  in dem stockenden Verkehr ein wenig aufatmen konnte.

Da ich zum ersten Mal selber in die Stadt fuhr war ich mir des Weges nicht sicher. So fuhr ich einen beachtlichen Umweg bis zum Bahnhof und danach voll in die Menschenmenge hinein in Richtung Ganges zu den Ghats. Es machte richtig Spass, es wurde gedrängelt, gestossen, gehupt als ginge es um Leben und Tod. Nur einmal krachte es als eine Veloriksha quer von der Seite mich meiner Fahrbahn berauben wollte. Schlussendlich kam ich heil und mit einem riesen Smiley bei der Kiran Bäckerei an. Ich drehte den Schlüssel,  stieg vom Roller und atmete tief durch.

Als ich Brot und Peanut Butter gekauft hatte, machte ich mich mit einer Veloriksha auf nach Gondoria. Um sieben Uhr habe ich dort mit dem  Arbeitskollegen Shamim, zum Essen abgemacht. Während der Velorikshafahrt nach Gondoria legten wir zwei Pausen ein, ich spendierte dem bis auf die Knochen abgemagerten Mann etwas zu Essen und später noch einen Chai.

In Gondoria angekommen fing es plötzlich heftig an zu stürmen. Die Plastik Abdeckungen der Stände wirbelten durch die Luft, Sand und Staub schränkten die Sicht bis auf zwei Meter ein. Das Atmen viel schwer.  Urplötzlich kam der Platzregen und kurz darauf Hagel. Die Strasse war auf einmal Menschenleer, wo doch zuvor kaum an ein durchkommen zu denken war. Nur vereinzelt sah ich triefend nasse Leute die Seelenruhig durch die Strassen schlenderten.  Ich war zum Glück zu diesem Zeitpunkt in einem Airtel Laden und konnte das Schauspiel aus dem Trockenen beobachten.










Als der Arbeitskollege um zwanzig nach sieben noch nicht am Treffpunkt war, machte ich mich auf die Suche nach einem indischen Handy. In der Nähe eines Chaistandes betrieb ein alter Mann, der im Schneidersitz auf seinem Stuhl sass ein Telefon. Ich wählte die Nummer und rief Shamim an. Nach mehreren Fehlversuchen hörte ich jemand am anderen Ende der Leitung. Der Strassenlärm hinderte mich daran irgendetwas zu verstehen. Nach einiger Zeit hatte ich das Gefühl, dass die Stimme am anderen Ende sicher nicht die von Shamim ist. Ich versuchte es wieder. Nun konnte ich knapp hören wie jemand sagte, dass er in einer halben Stunde am vereinbarten Treffpunkt sein wird. Ich genehmigte mir einen Chai und wartete.  

Das Essen war höchstwahrscheinlich köstlich, Shamim hat es geschmeckt, leider verwahrte mir meine Erkältung eine solche Aussage. Um halb zehn machte Shamim die Anstalt in eine Autoriksha einzusteigen,  in der bereits acht anderen Insassen waren. Ich fragte mich wie das klappen sollte. Da ich der einzige war der sich solche Sorgen machte, nahm ich direkt auf der linke Seite des Fahrers Platz und wartete ab. Auf der rechten Seite des Fahrers setzte sich ein anderer Mann und neben mir liess sich Shamim nieder. Vorne waren wir also zu viert. Auf der hinteren Bank sassen drei Frauen mit ihren drei Kindern und ihren Einkaufstaschen.  Nur durch dynamischen mit schwanken konnte der Fahrer überhaupt steuern.

Wieder zurück bei der Bäckerei wollte der Roller nicht mehr anspringen. Nach unzähligen versuchen kam ein junger Inder und riss den Roller an sich. Auch bei ihm funktionierte es nicht. Ich sah mich schon beim nächsten Hotel einchecken als unter beachtlichem rauch und knattern der Motor ansprang. Nach einem kurzen „dhanyavad“ stieg ich auf und rollte davon.


Jetzt begann das Abenteuer. Es war dunkel und ich kannte den 14 Km Weg nach Hause so gut "wie meine Westentasche". Ich machte mir keine Sorgen und bretterte über die überholungsbedürftige Strasse. Als Anhaltspunkt diente mir der Bypass von wo aus ich den Weg kenne. Nur liegt diese Brücke unter der  mein Weg durchführt 10 Km entfernt. Bei der nächsten Tankstelle liess ich weitere zwei Liter Petrol einfliessen, damit ich wenigstens die ganze Nacht durchfahren könnte. Als ich meines Weges langsam ziemlich unsicher wurde fragte ich an einer Kreuzung wo es denn zum Bypass gehe. Wie immer kam die Antwort so prompt, dass ich daran zweifeln musste. Die Inder haben diese Eigenschaft, dass sie auf alles eine Antwort haben auch wenn sie in Wirklichkeit keinen Schimmer haben. Daraufhin kam ein junger Mann zu der kleinen Gruppe hinzu. Er machte sich sichtlich Sorgen, um diese Zeit einen orientierungslosen Touristen auf einem Roller anzutreffen und bestätigte die Antwort seines Vorgängers. Daraufhin sagte er noch, ich solle doch nach fünf Kilometer besser noch jemand Fragen. Ausserdem soll ich vorsichtig sein und nur Leute ansprechen die einen Shop betreiben. Mit diesen Worten ihm Ohr fuhr ich zögerlich die angegebene Richtung. Der Bypass wollte einfach nicht erscheinen. Die Strassen wurden schmaler und plötzlich gab es auch keine Strassenlampen mehr. Zum Glück hatte ich Licht am Roller, leider war der Scheinwerfer eher zum Himmel gerichtet als auf die Strasse. Dieselbe Strecke wieder zurück zu fahren wäre mein letzter Ausweg aus der unbequemen Situation gewesen. Ich hätte mir dann ein Hotelzimmer in der Stadt gebucht und wäre am Morgen pünktlich zur Arbeit wieder zurück gewesen. Mit Fahrtwind im Gesicht und Staub in den Augen konnte ich dank meinen Scheinwerfer, der zur Flugzeugabwehr hätte gebraucht werden können, auf einmal die Brücke/Bypass sehen. Ich war überglücklich. Als ich dann noch die Einfahrt beim Pachao Markt Richtung Kirancenter sah jubelte ich vor Freude in die Nacht hinein.

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