Donnerstag, 24. Januar 2013

18.1.2013 Die Rollerfahrt meines Lebens



Heute war ein Feiertag und somit konnte ich ausschlafen. Als ich aufstand waren meine Grippesymptome beinahe verschwunden. Auch die Wunde an meiner Nase, die durch kochend heisses Wasser während dem Inhalieren zu Stande kam, ist am verheilen. Bis um drei Uhr blieb ich im Zimmer, trank Tee und Inhalierte, lernte Hindi und las im Buch Shantaram. Danach machte ich mich auf in die Stadt. Da kein Bus in die 14 Km entfernte Stadt Varanasi fuhr musste ich improvisieren. Am Eingangstor fragte ich nach einem Motorrad, um damit in  die Stadt zu fahren. Der Portier war ein wenig überrascht und gab mir schlussendlich zu verstehen, dass er keinen Schlüssel hat. Ich wollte schon losmarschieren um beim Pachao Markt, fünf Kilometer entfernt, ein Tuktuk zu kriegen. Da kam die Chefin des Kiran Center Sangeta mit ihrem Roller angebraust. Der Portier fragte sie nach einem Motorrad für mich, auch sie konnte mir nicht weiterhelfen. Da gab sie mir schlussendlich ihren eigenen Rollerschlüssel. Ich war ihr sehr dankbar.

Mir der Kiste  donnerte ich also über  Stock und Stein bis zum Pachao Markt. Da der Roller auf Reserve lief musste ich mich um Petrol kümmern. Beim ersten Shop machte ich halt und fragte nach Treibstoff. Ein Mann kam mit einem Schlauch und wollte mir Luft in den Pneu jagen. Ich gab ihm zu verstehen, dass ich Petrol und nicht Luft brauche. Da hob er seine Hände in die Luft und zeigte weiter die Strasse runter. Ich stieg wieder auf und flitzte quer über die Strasse zum nächsten Händler. Diesmal hatte ich mehr Glück und der Roller bekam einen Liter Flüssigkeit.

Und schon ging es weiter. Immer schön links halten und rechts überholen, bald hatte ich die überlebenswichtige Hupe gefunden und drückte unablässig auf dem Knopf rum. Die Tuktus zogen am Anfang noch an mir vorüber. Doch mit der Zeit und mit dem immer besseren Gefühl für den Verkehr, scherte ich aus, überholte Laster, Autos und Fahrräder. Die Fahrkunst der Inder ist beeindruckend. Die ganze Zurückhaltung die sie sonst an den Tag legen verlieren sie spätestens auf der Strasse.  Noch nie fuhr ich so Aufmerksam, jede Sekunde veränderte sich die Verkehrslage. Ich war wie auf Nadeln. Meine Augen brannten wegen dem Staub und weil keine Zeit zum blinzeln übrig blieb. Es hupte, brummte, röhrte und zischte nur so um mich herum, teilweise sah ich alles wie in Zeitlupe. Nicht selten raste ein Auto voll auf mich zu und im letzten Moment wichen wir einander aus. So ging es weiter  bis ich kurz vor der Stadt,  in dem stockenden Verkehr ein wenig aufatmen konnte.

Da ich zum ersten Mal selber in die Stadt fuhr war ich mir des Weges nicht sicher. So fuhr ich einen beachtlichen Umweg bis zum Bahnhof und danach voll in die Menschenmenge hinein in Richtung Ganges zu den Ghats. Es machte richtig Spass, es wurde gedrängelt, gestossen, gehupt als ginge es um Leben und Tod. Nur einmal krachte es als eine Veloriksha quer von der Seite mich meiner Fahrbahn berauben wollte. Schlussendlich kam ich heil und mit einem riesen Smiley bei der Kiran Bäckerei an. Ich drehte den Schlüssel,  stieg vom Roller und atmete tief durch.

Als ich Brot und Peanut Butter gekauft hatte, machte ich mich mit einer Veloriksha auf nach Gondoria. Um sieben Uhr habe ich dort mit dem  Arbeitskollegen Shamim, zum Essen abgemacht. Während der Velorikshafahrt nach Gondoria legten wir zwei Pausen ein, ich spendierte dem bis auf die Knochen abgemagerten Mann etwas zu Essen und später noch einen Chai.

In Gondoria angekommen fing es plötzlich heftig an zu stürmen. Die Plastik Abdeckungen der Stände wirbelten durch die Luft, Sand und Staub schränkten die Sicht bis auf zwei Meter ein. Das Atmen viel schwer.  Urplötzlich kam der Platzregen und kurz darauf Hagel. Die Strasse war auf einmal Menschenleer, wo doch zuvor kaum an ein durchkommen zu denken war. Nur vereinzelt sah ich triefend nasse Leute die Seelenruhig durch die Strassen schlenderten.  Ich war zum Glück zu diesem Zeitpunkt in einem Airtel Laden und konnte das Schauspiel aus dem Trockenen beobachten.










Als der Arbeitskollege um zwanzig nach sieben noch nicht am Treffpunkt war, machte ich mich auf die Suche nach einem indischen Handy. In der Nähe eines Chaistandes betrieb ein alter Mann, der im Schneidersitz auf seinem Stuhl sass ein Telefon. Ich wählte die Nummer und rief Shamim an. Nach mehreren Fehlversuchen hörte ich jemand am anderen Ende der Leitung. Der Strassenlärm hinderte mich daran irgendetwas zu verstehen. Nach einiger Zeit hatte ich das Gefühl, dass die Stimme am anderen Ende sicher nicht die von Shamim ist. Ich versuchte es wieder. Nun konnte ich knapp hören wie jemand sagte, dass er in einer halben Stunde am vereinbarten Treffpunkt sein wird. Ich genehmigte mir einen Chai und wartete.  

Das Essen war höchstwahrscheinlich köstlich, Shamim hat es geschmeckt, leider verwahrte mir meine Erkältung eine solche Aussage. Um halb zehn machte Shamim die Anstalt in eine Autoriksha einzusteigen,  in der bereits acht anderen Insassen waren. Ich fragte mich wie das klappen sollte. Da ich der einzige war der sich solche Sorgen machte, nahm ich direkt auf der linke Seite des Fahrers Platz und wartete ab. Auf der rechten Seite des Fahrers setzte sich ein anderer Mann und neben mir liess sich Shamim nieder. Vorne waren wir also zu viert. Auf der hinteren Bank sassen drei Frauen mit ihren drei Kindern und ihren Einkaufstaschen.  Nur durch dynamischen mit schwanken konnte der Fahrer überhaupt steuern.

Wieder zurück bei der Bäckerei wollte der Roller nicht mehr anspringen. Nach unzähligen versuchen kam ein junger Inder und riss den Roller an sich. Auch bei ihm funktionierte es nicht. Ich sah mich schon beim nächsten Hotel einchecken als unter beachtlichem rauch und knattern der Motor ansprang. Nach einem kurzen „dhanyavad“ stieg ich auf und rollte davon.


Jetzt begann das Abenteuer. Es war dunkel und ich kannte den 14 Km Weg nach Hause so gut "wie meine Westentasche". Ich machte mir keine Sorgen und bretterte über die überholungsbedürftige Strasse. Als Anhaltspunkt diente mir der Bypass von wo aus ich den Weg kenne. Nur liegt diese Brücke unter der  mein Weg durchführt 10 Km entfernt. Bei der nächsten Tankstelle liess ich weitere zwei Liter Petrol einfliessen, damit ich wenigstens die ganze Nacht durchfahren könnte. Als ich meines Weges langsam ziemlich unsicher wurde fragte ich an einer Kreuzung wo es denn zum Bypass gehe. Wie immer kam die Antwort so prompt, dass ich daran zweifeln musste. Die Inder haben diese Eigenschaft, dass sie auf alles eine Antwort haben auch wenn sie in Wirklichkeit keinen Schimmer haben. Daraufhin kam ein junger Mann zu der kleinen Gruppe hinzu. Er machte sich sichtlich Sorgen, um diese Zeit einen orientierungslosen Touristen auf einem Roller anzutreffen und bestätigte die Antwort seines Vorgängers. Daraufhin sagte er noch, ich solle doch nach fünf Kilometer besser noch jemand Fragen. Ausserdem soll ich vorsichtig sein und nur Leute ansprechen die einen Shop betreiben. Mit diesen Worten ihm Ohr fuhr ich zögerlich die angegebene Richtung. Der Bypass wollte einfach nicht erscheinen. Die Strassen wurden schmaler und plötzlich gab es auch keine Strassenlampen mehr. Zum Glück hatte ich Licht am Roller, leider war der Scheinwerfer eher zum Himmel gerichtet als auf die Strasse. Dieselbe Strecke wieder zurück zu fahren wäre mein letzter Ausweg aus der unbequemen Situation gewesen. Ich hätte mir dann ein Hotelzimmer in der Stadt gebucht und wäre am Morgen pünktlich zur Arbeit wieder zurück gewesen. Mit Fahrtwind im Gesicht und Staub in den Augen konnte ich dank meinen Scheinwerfer, der zur Flugzeugabwehr hätte gebraucht werden können, auf einmal die Brücke/Bypass sehen. Ich war überglücklich. Als ich dann noch die Einfahrt beim Pachao Markt Richtung Kirancenter sah jubelte ich vor Freude in die Nacht hinein.

Sonntag, 20. Januar 2013

11.-14. Das erste Wochenende in Varanasi

Am Freitag um vier Uhr rattere der volle Bus vom Kirancenter  Richtung  Varanasi. Mitten unter den Leuten sass ich an einem Fensterplatz und beobachtete gespannt wie sich der Bus durch die schmalen Landstrassen schlängelte. Neben mir sass mein Chef, Pradeep Kumar und aus Platzmangel nahm eine andere Person auf seinem Schoss Platz. Ich beobachtete die Landschaft, die Lehmhütten, die Kühe, die Kinder. Nach zehn Minuten passierten wir den Pachao Markt der an einer Hauptstrasse liegt. Die Strasse wurde merklich besser und der Busfahrer drückte vermehrt auf das Gas und die Hupe. Je näher wir dem Herz von Varanasi kamen desto mehr  Autos, Tuktus, Motorräder, Fahrräder, Fussgänger, Kühe, Ziegen, und  Hühner drängelten sich auf den pulsierenden Strassen. Jede Minute pumpte die Strasse mehr und mehr Verkehr ins Herz von Varanasi. Unser Busfahrer liess sich nicht abschrecken und fuhr mit dem Koloss geradlinig, wie ein Messer durch die Butter, in die Stadt hinein.

Als die Tür sich öffnete, fühlte es sich an wie eine Faust ins Gesicht. Ein Schwall von betäubendem Lärm liess mein Trommelfell erzittern, Abgase gemischt mit Staub und Gewürzduft drängte sich in meine Nase. Meine Augen zuckten hin und her, ich wusste nicht mehr wohin schauen. 

Ich setzte meinen Fuss auf die Strasse des kriechenden, hustenden Molchs  Varanasi  und der Bus machte sich unter kräftigem aufheulen des Dieselmotors davon. Die Kiran-Bäckerei befand sich direkt auf der  gegenüberliegenden Seite. Der Verkehr auf meiner Seite kam  von rechts. Ich wartete bis sich zwischen mehreren Motorräder und Rikschas einen Spalt öffnete um bis zum nichtexistierenden Mittelstreifen vorzudringen. Jetzt kam der Verkehr von links, ein Spalt öffnete sich und ich spanne meine Muskel um den ersten Schritt zu tun, da hörte ich von rechts ein schrilles Hupen. Ich blieb stehen, beugte mich nach hinten und das Motorrad fuhr Haarscharf an mir vorbei. Hastig schaute ich wieder nach links von wo der Hauptstrom auf mich zu kam. Schnell hechtete ich mich in Sicherheit und fluchte über das Chaos und die Geisterfahrer.

Ein Angestellter der Bäckerei fuhr mich, nach einer Stunde warten, mit dem Motorrad zum Assighat. Dort zeigte er mir ein gutes Hotel indem man als Kiran-Arbeiter Rabatt erhält. Trotz Rabatt fand ich am Nächsten Tag noch ein billigeres Hotel. Ich checkte also ein lud mein Gepäck ab und lief zum Assighat runter.
 Von allen Seiten hörte ich rufende Menschen, die mir etwas verkaufen wollten oder um Bakschisch  fragten. Kinder packten meine Hand, schauten mich mit ihren grossen, braunen, glasigen Augen an und wollten mir Blumen verkaufen. Mit einem krampfenden Herzen zog ich mich von ihnen los und lief weiter.

Ich fand auf der obersten Stufe von einer der vielen Treppen ein wenig Ruhe um die Atmosphäre auf mich wirken zu lassen. Ich schaute dem Wasser des Ganges zu wie es in der dunklen Nacht im Strahlen der gelb, orangen Scheinwerfer, sehr ruhig, gelassen, gemächlich und still an mir vorüber zog.

Am Samstag besuchte ich verschiedene Tempel und andere Sehenswürdigkeiten. Gegen vier Uhr checkte ich in einem anderen Hostel ein. Das Mishra hat ein wunderbares Rooftop mit Restaurant, von dort hat man eine unglaubliche Aussicht. Da ich hunger verspürte lief ich die schier unendlichen Stufen hoch bis ich endlich das Dach erreichte. Ich bestellte etwas zu essen und genoss beim warten die atemberaubende Aussicht auf die Promenade und den Ganges. Viele der Gäste waren Asiaten, ich lernte eine Südkoreanische Familie kennen die auf einer Weltreise ist. Der Mann mit dem ich sprach war sehr sympathisch und erzählte mir, dass er und seine Familie die Schweiz auch noch bereisen werden.

Nach dem Essen machte ich mich wieder auf in die Menschenmenge. Bald wurde es dunkel und ich wusste das die Zeremonien an den Ghats kurzum beginne würden. Um halb sieben startete die eindrucksvolle Show. Ich sass mit einem Chai in der Hand auf einer Treppe und schaute den nepalesischen Mönchen, die speziell für die Zeremonie nach Varanasi kommen, gespannt zu. Neben mir setzte sich eine junge Frau. Es stellte sich heraus, dass sie aus Florida kommt und heute gerade in Varanasi angekommen ist. Wir unterhielten uns und teilten einander unsere Eindrücke mit. Als die Zeremonie eine Stunde später zu Ende ging machte ich mich
hungrig auf den Weg zurück ins Hostel.

















  

Donnerstag, 17. Januar 2013

10.1.13



Genug von den Ratten, die werde ich nie ganz los. Wie jeden Tag versammelten wir uns bei der Kantine, um den Tag mit einem Chai zu beginnen. Heute war mein vierter Arbeitstag. Ich habe die AFO- Ankel Foot Orthesis für den Jungen, der am Montag zum Massnehmen da war, zur Anprobe fertiggestellt. Der Junge leidet an einer CP die eine Muskelschwäche auslöst. Mit der Orthese geben wir ihm halt, damit er wieder gehen kann.

 Die Werkstatt ist sehr gut ausgerüstet, die Maschinen sind in einem guten Zustand und die wichtigsten Materialien sind vorhanden. Arbeit ist mehr als genug vorhanden. Viele der Patienten kommen von ausserhalb zu uns. Im Kiran gibt es ein Outreachcamp Team, welches in kleine Dörfer geht um den Menschen dort zu helfen. Bei Bedarf verweisen sie die Leute dann zu uns in die Orthopädie. Da  viele Patienten sehr arm sind, bezahlen sie für die Hilfmittel so viel sie können, der Restbetrag wird vom Kirancenter übernommen welches durch Beiträge aus ganz Europa unterstützt wird.

Das Mittagessen war wieder sehr köstlich. Ich liebe die indische Küche. Es gab wie immer Reis, dazu eine gut gewürzte Sauce,  Tschapati, Gemüse und eine grüne scharfe Chili. Nach der halben Stunde Mittagspause gingen wir zurück an die Arbeit. Leider verstehe ich noch nicht allzuviel Hindi, so ist es teilweise schwierig mit den anderen zu Kommunizieren. Sie sind aber so freundlich und übersetzen die Witze die sie machen ins Englische. Um drei Uhr hatten wir zwanzig Minuten Pause und gönnten uns oben bei dem Stand einen Chai.

Nach der Arbeit ging ich zurück ins Zimmer. In meiner Tasche hatte ich eine Gipsbinde mit der ich die Rattenlöcher endgültig beseitigte. Danach stellte ich meinen bequemen Stuhl aus Bambus auf die Terrasse und las in einem Buch. Die orange, rote Sonne stand tief und schien mir dabei ins Gesicht. Nach einiger Zeit zog es mich hinunter zum Mother Ganga, da ich sowieso einen kleinen Hunger verspürte verliess ich meinen Sonnenplatz.  Auf dem Weg zum Fluss machte ich einen Stopp bei Hirala und gönnte mir einen Snack.  Er arbeitet auch im Kiran und führt nebenbei  mit seiner Frau und seinen drei Kindern einen kleinen Shop.
Er hatte uns gestern zu sich eingeladen und uns köstlich bekocht. Sein Haus ist sehr klein, es besteht nur aus einer Küche, Bad und Wohnzimmer indem zwei Betten stehen. Die Kinder der Familie sind unglaublich aufgestellt und aufgedreht. Sobald sie einen sehen kommen sie und umklammern einen. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist es, in der Luft herumgewirbelt zu werden. Nach einigen Minuten muss ich jeweils pausieren, da ich vom ewigen Drehen nicht mehr gerade Stehen kann. Dann fangen sie an zu schreien: „nochmal nochmal“.



Nach dem Snack bei Hirala lief ich weiter Richtung Ganges. Am Fluss angekommen stand die Sonne schon sehr tief und färbte die Umgebung und das Wasser dunkelrot. Ich genoss die wunderschöne Atmosphäre und schaute der Sonne zu wie sie langsam am Horizont verschwand.

Donnerstag, 10. Januar 2013

9.1.13



Um zwei Uhr erwachte ich aus zuerst unbekannten Gründen. Die Kopfhörer hatte ich noch auf dem Kopf da ich vor dem schlafen die neuen Songs von uns anhörte. Währenddessen muss ich eingeschlafen sein. Nach dem Erwachen schaute ich als erstes auf die Uhr.  Es war zwei Uhr morgens. Das passiert mir so gut wie nie, dass ich mitten in der Nacht erwache, also musste es einen Grund dafür geben.

Ein rascheln in der Küche verriet mir, dass ich wieder Besuch hatte. Diesmal entdeckte ich sogar zwei Ratten die gleichzeitig auf der Küchenabdeckung herum lauerten. Als sie mich entdeckten sprangen sie von der Abdeckung runter und liefen zum Kühlschrank unter dem sie sich versteckten. Immer wenn ich mich wieder halb im Schlaf befand hörte ich sie erneut in der Küche hantieren. Da ich am Vortag alle Löcher gestopft hatte, war ich wirklich neugierig wo die Ratten diesmal herkamen. Ich stand also auf, begab mich zum Kühlschrank und fing an daran zu rütteln. Die erste Ratte kletterte am Gitter hoch, sprang auf den Fenstersims,  kletterte dort den Vorhang hinauf, lief auf der langen Ablage ums Zimmer herum bis zu dem Seil mit dem man das Oberfenster öffnen und schliessen kann. Sie hechtete sich zum Seil und kletterte im nu die zwei Meter bis zum Dach hoch. Dann war sie verschwunden.

 Die zweite Ratte die immer noch unter dem Kühlschrank war flüchtete auch über den Vorhang. Sie bog dann aber rechts ab und gelangte zu dem Loch das ich ausgestopft hatte. Sie versuchte energisch das Papier zu durchdringen, als ich immer näherkam gab sie ihr Vorhaben auf und nahm den gleichen Fluchtweg wie die Ratte zuvor.

Für diese Nacht habe ich wieder weitere Vorkehrungen getroffen. Den Türspalt habe ich mit dickem Papier zugeklebt sodass ich nicht jeden Abend die Tücher in den Spalt quetschen muss. Das Seil hängt jetzt lose in der Luft, somit würde die Ratte abstürzen wenn sie versucht daran runter oder hoch zu klettern. Ich bin gespannt was sich diese Nacht tut.  

Mittwoch, 9. Januar 2013

8.1.13


Die Nacht war ein einziger Kampf gegen die Ratten. Ich war gerade am einschlafen als ich ein rascheln auf der Küchenablage hörte. Kurzerhand packte ich meine Taschenlampe und hielt sie Richtung Küche. Da sah ich im Lichtkegel der Lampe eine Ratte, die gemütlich auf der Küchenablage sass und irgendetwas knabberte. Ich musste lachen, die Ratte sah irgendwie lustig aus. Da es sehr kalt war und ich keine Lust hatte den aufgewärmten Schlafsack zu verlassen schwang ich die Taschenlampe hin und her. Die Ratte kam ins Discofieber und machte sich aus dem Staub unter meiner Zimmertür durch, hinaus ins Freie. Jetzt blieb mir nichts anderes  übrig als aufzustehen und den Türspalt  mit Tücher und Schuhen zu verbarrikadieren.

Ich fühlte mich super, da ich der Ratte überlegen war und dachte, dass es doch Vorteilhaft ist ein Mensch zu sein und denken zu können. Triumphierend ging ich zurück ins Bett und glitt in den kalten Schlafsack. Eine gefühlte Stunde später raschelte es erneut.

Fluchend schaute ich der Ratte im Licht meiner Taschenlampe zu. Plötzlich sah ich, dass sie noch einen anderen Ein und Ausgang zu meinem Zimmer hat. Zwischen dem Blechdach und der Wand hat es einen Spalt durch den sie hindurch kann. Ich stand auf und sah, dass meine Peanutbutter-Plastik-Dose ein Loch im Deckel hat. Viele kleine Plastikstücke lagen auf dem Armaturenbrett, die Maus hatte sie aus dem Deckel heraus gebissen.Ich staunte nicht schlecht und hoffte, dass sie trotz anscheinend grossem Hunger mich nicht gleich behandeln werden wie die Plastikdose.

Als nächstes stellte ich die offene Dose auf das oberste Tablar in der Küche. Die Dose stellte ich ganz an den Rand, da ich wusste die Ratte würde sie zu Fall bringen sobald sie wiederkommt. Ich inspizierte auch das Loch im Dach, doch ich war zu müde um mit dem Basteln zu beginnen. Es dauerte lange bis ich einschlief, von der Ratte habe ich nichts mehr gehört.

Am Morgen lag dann die Dose tatsächlich auf der Küchenabdeckung, zu meinem Erstaunen war der Peanutbutter darin aber unberührt. Entweder haben die Ratten vom Aufprall der Dose Angst bekommen oder sie mögen  Peanutbutter nicht.

Ich stopfte dann als erstes das Loch im Dach. Dazu verwendete ich Papier und Klebstreifen.
Nach der aufregenden Nacht gönnte ich mir vor der Arbeit den üblichen Chai. Nun konnte der Tag beginnen.

7.1.13



Ich ass gerade ein Marmeladenbrot und trank dazu Schwarztee, als Alessandro an der Tür klopfte. Er hatte ein Pancake auf einem Tableau vor sich. Der Pancake schmeckte sehr gut. Nach dem Frühstück machte ich mich auf zum Orthopädiecenter.  Die Werkstatt wurde mir gezeigt und ich konnte meinen Arbeitsplatz einrichten. Daraufhin trafen wir uns alle in der grossen Halle um miteinander zu singen und die neusten Infos wurden durchgegeben. Samuel und ich wurden vorgestellt und fotografiert. Zur Begrüssung überreichten sie uns einen Blumenstrauss. Daraufhin führte Alessandro mich und Samuel durch das ganze Kirancenter und stellte uns die verschiedenen Departemente vor.

In einem Raum stellte uns eine Frau vor, wie sie Saucen und andere Sachen länger haltbar macht. Sie liess uns aus einem Eintopf probieren. Der Topf bestand fast nur aus superscharfem Chili. Ich lief hoch rot an, hatte das Gefühl der Kopf sei kurz vor dem zerbersten, die Tränen liefen runter. Wir schauten uns an und mussten nur noch lachen. Der Morgenkaffee wäre im Vergleich nichts gewesen.

Als wir zu der Schreinerabteilung kamen, hatten sich die Chili Symptome gelegt. Ein Schreiner zeigte uns alle Holzarbeiten die sie im Kiran herstellen. Dabei hat es unzählige sogenannte Kniffelspiele. Der Mann gab uns einige in die Hände damit wir unser Glück versuchten konnten. Am Schluss kam ich mir recht dumm vor, als er in kürzester Zeit die Kniffe löste.

Nach dem Essen in der Kantine liefen wir den schmalen Weg hinauf zum Eingang des Kirancenters. Auf dem Weg gibt es an der rechten Seite ein Stand bei dem es Chai, Kaffe und Süssigkeiten gibt. Alessandro, Samuel und ich bestellten einen Chai und setzten uns auf die Steinbank. Zusammen genossen wir den köstlichen Tee. 

Montag, 7. Januar 2013

6.1.13


6.1.13
Am Morgen bin ich erst um viertel vor neun erwacht. Ich hörte draussen schon die Kricket Gruppe die sich zum Spielfeld bewegte. Ich öffnete meine Tür und sah hinaus, da rief schon der erste aus der Gruppe der mich sah und forderte mich auf einen Chai zu trinken und danach zum Feld zu kommen. Fünf Minuten später stand ich mit verschlafenem Gesicht und einer bleiernen Müdigkeit auf dem Feld. Es dauerte nicht lange da wurden auch schon die Positionen gewechselt. Es war also an uns zu schlagen. Bald kam ich an die Reihe und schlug den Tennisball beim ersten Wurf des Gegners weit ins Feld hinaus. Es ist sehr ähnlich wie Baseball nur das der Schläger flach ist und es darum geht die drei Holzstäbe die hinter dem Schläger sind zu schützen oder eben mit dem Ball zu treffen. Als wir gewonnen hatten wechselten wir von Kricket zum Fussball. Da in Indien Fussball nicht sehr bekannt ist, ist das Niveau auch dementsprechend, es war also sehr lustig.

Nach dem Spiel traf ich Alessandro und Samuel bei der Kantine. Sie schlossen sich unserer Kochgruppe an. Um halb Elf startete also wiederum das Seminar,  auch heute lernten wir  wieder ein neues indisches Rezept kennen.

Um drei Uhr versammelten sich alle Teilnehmer auf dem Platz im Kirancenter. Es waren ca. 50 Leute anwesend, dabei stellte jede Gruppe kurz vor, was sie in den zwei Tagen gelernt hatten. Daraufhin gab es Chai für alle und somit war das Lernwochenende abgeschlossen. Der Kiranbus füllte sich langsam und das Center leerte sich allmählich. 

Die zwei Italiener Alessandro und Samuel und ich liefen dann zum Ganges hinunter. Die Sonne stand tief und das Wasser war sehr ruhig. Auf den Stufen die hinunter zum Fluss führten hatte es ein paar Inder die miteinander sprachen oder andere die beteten. Als wir dann am Ganges ufer standen konnte ich spüren wie eine grosse Ruhe und Gelassenheit über mich herein kam. Hundert Meter  von dem Ufer entfernt  befindet sich ein Tempel den ich und Alessandro dann aufsuchten und für ein paar Minuten inne  hielten. Zu meinem Erstaunen wollten die Priester nicht einmal Geld für den Besuch des Tempels.

Es wurde schon wieder langsam dunkel, so entschloss ich mich mit dem Velo noch kurz zum kleinen Markt zu fahren. Alessandro musste für eine Familie Lebensmittel besorgen. So fuhren er,  der Junge der Familie und ich zusammen mit den klappernden, alten, heruntergekommenen Velos ins nächste Dorf. Nach zwei Kilometern Fahrt auf den Felgen, fand ich endlich einen „ Velomechaniker“ der eine Pumpe vor seinem Lehmhaus stehen hatte. Die vier Herren sassen um ein Feuer und wärmten sich die Hände. Als wir bei ihnen Halt machten holte der Junge, der mit uns fuhr die Pumpe und reichte sie mir. Ich pumpte doch die Luft staute sich im Kolben. Die Männer am Feuer begannen zu sprechen und zu lachen. So pumpte ich schneller und mit mehr Kraft. Doch der Erfolg war mässig bis schlecht. Wiederwillens machte ein Mann am Feuer die Anstalt sich zu erheben und mir zu helfen. Ich weiss es bis jetzt noch nicht genau was der Trick war, jedenfalls ging die Luft bei ihm in den Schlauch. Nach ein paar dummen Sprüchen die ich leider nicht verstand, fuhren wir weiter.

Kurze Zwischenbemerkung: Meine Finger sind so kalt geworden, dass ich jetzt kurz einen Tee zubereite. Auf der Küchenablage habe ich sechs Würfel liegen. Als ich das Wasser aufsetzte und den Gasherd entflammte nahm ich die Würfel in die Hand und zack legte ich auf einmal eine Strasse hin. Das habe ich in meiner ganzen Würfelkarriere noch nie geschafft. Ich war ausser mir vor Freude.
Wir fuhren also zum Markt. Bei der Hauptstrasse trennten sich unsere Wege, denn Alessandro und der Junge mussten noch einige Kilometer weiter, bis zu ihrem Lebensmittelhändler. Es war schon dunkel als  ich mich auf den Heimweg machte. Neu hatte ich zwei Beutel Tee im Rucksack und an meinen Händen neue Handschuhe. Ich setzte die Kopfhörer auf, wählte Moonraiser mit Rais Up und fuhr ohne Licht auf der mondoberflächen ähnlichen Strasse durch die Felder an den unzähligen Lehmhäuser, Kühen und Inder  vorbei zurück ins Kirancenter.





In meinem Zimmer angekommen nahm ich eine kalte Dusche die mich danach weiter eine Stunde lang am ganzen Körper zittern lies. Ich weiss nicht wie kalt es ist, beim ausatmen bilden sich aber Dunstwolken.  Um acht Uhr gab es wieder Essen im Girlshostel. Es war sehr lecker.
Morgen beginnt also der Alltag in der Orthopädiewerkstatt. Ich bin gespannt was mich erwartet. 

5.1.13 Samstag


5.1.13
Im Kiran Center waren dieses Wochenende verschiedene Seminare. Am Morgen um 9 Uhr starteten wir nach einem Chai. Ich schloss mich der Gruppe an, die Kricket spielt. Etwa 30 Mann waren wir. Ausserhalb des Kiran hat es ein grosses Feld mit Büschen und vielen Unebenheiten, der Boden ist trocken. Das Feld ist auf zwei Seiten durch einen Zaun abgesperrt, sodass der Ball gestoppt wird. Wir spielten eine Stunde lang. Mein Team gewann. Danach nahm ich bei der Kochgruppe teil. Wir kochten Paneer do Piazaa. Um zwei Uhr waren wir fertig und die hungrigen Leute aus allen verschiedenen Seminaren kamen bei uns essen. Es war sehr deliziös. Um vier Uhr waren wir mit dem aufräumen der Küche fertig. Ich unterhielt mich mit den verschiedensten Leuten und wir machten Würfelspiele. Am späten Nachmittag ging ich mit Vinod, der an Krücken geht in ein kleines Dorf, das vier Kilometer entfernt ist. Dort gibt es einen kleinen Markt. Vinod besitzt ein Motorrad mit drei Rädern damit er nicht umfällt. Seine Stöcke montierte er gekonnt auf der Seite mit Klettverschlüssen. Mit Höchstgeschwindigkeit rasselten wir zum Markt, etwa mit 30 km/h. Ich kaufte mir eine Taschenlampe und Klebeband. Danach gönnten wir uns an einem Stand je zwei dicke Eier die mit Zwiebeln und Koriander auf einem Bananenblatt serviert wurden. Als wir uns auf den Heimweg machten war es dunkel, obwohl es erst 19 Uhr war. Am Abend kam Samuel im Kirancenter an. Er ist ein Freund von Alessandro und bleibt sechs Monate im Kirancenter. Um 8 Uhr assen wir zusammen im Girlshostel.  Es gab Reis, Tschapati, eine scharfe Sauce und Gemüse.












04.01.13

Nach indischer Zeit ist es  4.15 Uhr und ich sitze hier beim Restaurant in der Ankunftshalle des Flughafens Delhi Indira Gandhi.  Mittlerweilen sind fast vier Stunden vergangen seit meiner Ankunft. Der Flug war sehr komfortabel und kurzweilig. Ich hatte einen Platz am Fenster. Neben mir sass ein junger Inder, der in Amerika  Ingenieur studiert. Er hat Ferien und besucht seine Familie in Delhi. Der Flug dauerte 7 Stunden, etwas länger als erwartet da wir in Zürich Probleme mit einem Triebwerk hatten. Sie mussten es extern starten, da durch einen Stromunterbruch das System ausgeschaltet wurde. Die meiste Zeit des Fluges unterhielt ich mich mit meinem Nachbar. Als er den Schlaf fand, schaute ich Filme und hörte Musik. Da Indien 4.5 Stunden unserer Zeit voraus ist, wurde es während dem Flug plötzlich sehr schnell dunkel. Die beleuchteten Städte, Strassen und Gebilde zeichneten sich unter uns wie Nervenzellen ab. Tausende Linien die sich zu einem Ballungszentrum vereinen. Dann wieder lange nur schwarz, kein Licht nur Dunkelheit. Als wir dann die Grenze Pakistan-Indien überflogen, meldete sich der Pilot. Er gab durch, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis wir Delhi erreichen. Draussen sah man die Grenze die wie auf einer Landkarte ganz gerade mit Lichtern markiert wurde. Es nimmt mich wunder wie viele Lichter sie benötigten um die ganze Grenze Pakistan- Indien zu markieren.

Nun sitze ich hier, lausche den Menschen zu und verstehe nichts. Ich bin ein Fremder hier, doch fühle ich mich nicht als solcher.  Ich sitze auf einer Bank in einem Ecken des Bistros, vor mir der Laptop. Links neben dem Tisch ist mein Gepäck auf einem Wagen. Die Mitarbeiter des Bistros stellen gerade die Tische und Stühle auf die Seite, damit sie den Boden reinigen können. Sie wirken erstaunlich fit und wach obwohl für sie jetzt halb Fünf ist. Für mich ist jetzt Mitternacht,  fühle mich immer noch sehr wach.
Es dauert noch genau 8 Stunden bis zu meinem nächsten Flug nach Varanasi. Wenn ich noch bis dann schreibe kommt ein halber Roman zusammen. Die Reinigungsmaschine braucht neues Putzmittel.  Sie wird gerade neu aufgefüllt. Der Mann an der Putzmaschine geht mit wenig System vor, er fährt eher ein wenig in der Gegend umher, anstelle von einem Ecken zum anderen vor zu gehen. Ich amüsiere mich und schaue gespannt zu. Mittlerweilen bin ich noch der einzige Gast im Bistro. Zehn Meter vor mir ist der Transfer Check-In dort sammelt sich eine Traube von Menschen. Ich werde jetzt aufbrechen um im zweiten Stock in der Visitorslounge eine Liege zu ergattern.


Als ich im zweiten Stock ankam, war gerade noch eine Liege frei. Ich stellte das Gepäck vor die Liege, lag hin und streckte die Beine auf meinem Gepäck aus. Es war nicht wirklich gemütlich, vor allem nicht wenn man am Vorabend in einem Bett mit Matratze und Decke geschlafen hat. Zudem war es im Flughafen sehr laut. Trotzdem fand ich in den Morgenstunden ein wenig Schlaf.

Mit 40 Minuten  Verspätung bin ich in Varanasi gelandet. Wie ein Popstar lief ich durch den Ausgang, links und rechts waren dutzende Chauffeure die ihr Kartonschild entgegenstreckten. Mit Adleraugen starrten sie mich an um möglichst schnell ein Fahrgast zu ergattern. Der Fahrer vom Kiran-Center Mohan wartete zu meinem Glück mit seinem Schild, beim Ausgang des Flughafens. Die Fahrt dauerte ca. eine Stunde inklusive einem Stopp um einen Chai an der Ecke zu trinken. Es sind doch ganze  40 Kilometer vom Flughafen bis hierher.

Im Kiran angekommen begrüssten mich alle sehr herzlich. Ich begab mich mit Mohan und dem Gepäck zu meinem Zimmer. Als ich dort auf den Schlüssel für mein Zimmer wartete, kam mein Nachbar heraus und begrüsste mich. Er heisst Alessandro und kommt aus der Nähe von Venedig. Wir plauderten ein wenig bis Mohan schlussendlich mit meinem Zimmerschlüssel auftauchte. Daraufhin gönnte ich mir eine eiskalte Dusche und räumte mein Zimmer ein.